Das Umgangssprachliche wird immer wichtiger. Es lauert hinter den Sonntagsreden, den Sparprogrammen, Politikern usw. – also hinter den Phrasen, Hirngespinsten, Trojanern, Lügen, bügelfreien Drückerkolonnebergern oder es hängt einfach über Schei…merde, ich meinte Scheißkerlen jeden Geschlechts und Hirnmatsch jeder Art.
Sauber und adrett wie eben aus guter Familie und besten Verhältnissen werden diese Kindlein auf die Straße hinaus geschickt. Da wo sie herkommen hält man die hübschen Kleinen praktisch stets für clever, cool und hochbegabt.
Dann fallen sie in den Brunnen.
Das Volk tritt an den Brunnenrand, bildet mit seinen Händen Trichter um sein Schandmaul und spricht mal Umgangssprache…
Und das muss man sich so vorstellen: das fette Kind (z.B. die Schönfärber-Lüge) liegt im Brunnen, und um es nicht ganz dumm, also ohne Hohn, Spott und ätzende Satire ersaufen zu lassen, kriegt es noch etwas Klartext mit auf den Weg in den vollgestopften deutschen Propaganda-Lügen-Durchhalte-Gürtelengerschnallen-Asservaten-Bernsteinkeller im großen Schwamm unterm gebunkerten Schlussstrich auf dem ewig gleichen Grund, umgangssprachlich in die „totale Pechmarie“, und geht, oft im Gegensatz zu seinem Erzeuger, kläglich ein.
Gelächter ist dabei die Marschmusik.
Winkende Hände werfen gegen die Brunnenwände die satten, nicht zu fassenden, typischen Schatten. Bis kalt der Hauch wieder weht, das Lachen vergeht…
Aber es gibt auch tatsächlich coole, begabte, clevere, dann geschniegelte Talente der Erbnatur, prinzliche Knaben. Sie kommen als Diplomaten aus Fecht-Tanz-und Schauspiel-Public-Relation-Gesamtschulen direkt in die ergebnisoffene Zielführung.
Die nehmens manchmal in den Mund, das Unaussprechliche, komprimieren und übersetzen ein grausliges Drumherumgerede wild und frei ins Umgangssprachliche – für einen prinzlichen Knaben purer Rock´n Roll.
Freilich kann er nicht aus seiner Haut, geschniegelt ist nicht „Grease“, Gassenhauer nachpfeifen nicht gleich „wild“, kein Trottel sein nicht gleich „Avantgarde“.
Und so ist die Flucht nach vorn für einen deutschen Verteidigungsminister womöglich erstaunlich, sie bedeutet aber eben keinen Rückzug, für dessen Notwendigkeit die Flucht nach vorn der beste Beweis ist, sonst hätte man sie nicht antreten müssen. Man muss konsequent sein, Konsequenzen sind eloquent.
Moderne Verteidigungskunst scheint aber vielmehr darin zu bestehen, die Flucht nach vorn als Abwehr einer Konsequenz zu betätigen, die nicht in ein Konzept passt, das weder auf Tatsachen, noch Wirklich- oder Wahrhaftigkeit, sondern fast vollständig auf sich selbst beruht.
Es ist also ein Ideal-Konzept in dessen Konsequenz der Verteidigungsminister eloquent sein kann, ohne konsequent werden zu müssen.
Mit diesem Ideal-Konzept stehen unsere Männer da in Afghanistan im wahrsten Sinne des Worte.
Fern der Heimat in einer Unwirklichkeit, die im Konzept zwar vorkommt, ihm aber widerspricht. Sie würden vielleicht gern umkehren, aber umgekehrt ist es auch nicht anders.
Sie betätigen allerhand Abzüge und würden gern bestätigt bekommen, dass das „Krieg“ ist, aber hmmhmm, dann müsste das Oberkommando doch sofort so konsequent sein und auch den Abzug betätigen, aber das Oberkommando betätigt den Abzug nicht, denn Abzug kommt nicht in Frage.
Die Entrüstung der heimischen Bevölkerung über solch brutalste Feigheit wird jedoch auch in Deutschland immer heftiger.
Also tritt der Verteidigungsminister umgänglich die Flucht nach vorn an und erobert mit Eloquenz eine ganz erstaunliche Höhe: erklärt, man könne die Wirklichkeit umgangssprachlich Realität, speziell die Realität in Afghanistan „Krieg“ nennen.
Und schon, oh Wunder, legte sich die Aufregung! Der Kampf darum, dass mans aussprechern darf, was in Afghanistan Wirklichkeit ist, war gewonnen. Die Realitäten kommen in Holzkisten und werden beerdigt. Die Bitterkeit ist unaussprechlich.
Man wird das Gefühl nicht los, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Wie war umgangssprachlich sein Name?
Das Umgangssprachliche wird immer wichtiger.
Der Verteidigungsminister, da er Stroh zu Schweigen ist Gold spinnen kann, heißt zu Guttenberg, umgangssprachlich kann man auch „Rumpelstilzchen“ sagen.
Das ist Realität. Wäre es auch Wirklichkeit, müsste er in der Versenkung verschwinden.
Aber vielleicht kann er nicht in der Versenkung verschwinden, weil vor der Versenkung momentan eine Schlange steht und Koch aufpasst, dass sich Nachzügler hinten anstellen.